Im Rahmen des Geschichtsunterrichts bietet es sich einfach an, die vier Wände des Klassen- oder Kurszimmers zu verlassen und hinaus auf eine lebendige Spurensuche des vergangenen oder auch modernen Zeitgeistes zu gehen.
So lohnt es sich zum Beispiel, die Europa stark beeinflussende Epoche der Aufklärung anhand eines Schloss- und Parkbesuches in Potsdam aufzuspüren. Und wenn man sich darauf einlässt, dann kann man ihn anhand der gartenkünstlerischen und architektonischen Raffinessen immer noch spüren: den damals vorherrschenden Zeitgeist mit einem hohen Anspruch an klassischer und philosophischer Bildung.
Beim Hören und Verstehen der Sage rund um den Müller von Sanssouci wird einem auch erst richtig bewusst, wie wichtig, aber auch wie neuartig schon allein der Gedanke an eine rechtliche Gleichstellung von Bürgern und Herrschenden in einer modernen – aufgeklärten – Gesellschaft ist. Besonders eindrucksvoll ist diese Legende (der auch ein wahrer Kern immanent ist) natürlich dann, wenn diese live und in Farbe hinter dem eindrucksvoll verspielten Schlösschen Sanssouci wahrnehmbar ist.
Apropos „kleines und bescheidenes Weinbergschloss“ – dieses Bild erhält durch eine Besichtigung des Neuen Palais an der Westseite des Parks einen gewaltigen Dämpfer. Der Bau wurde 1763 nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges ebenfalls unter Friedrich dem Großen begonnen und bereits 1769 fertiggestellt. Diese riesige Schlossanlage des preußischen Barocks zeugt letztlich auch von der Sehnsucht nach nationaler wie internationaler Geltung von Friedrich II. und zeigt somit eindrucksvoll auch die Widersprüchlichkeit des preußischen Monarchen auf. Aber gerade diese interessanten und faszinierenden Widersprüche sind es, die man letztlich auch und gerade durch einen Besuch besser verstehen und nachvollziehen kann.
Besonders interessant ist natürlich im 10. Jahrgang ein Aufsuchen von historisch- architektonischen Spuren wie der Tränenpalast oder das Brandenburger Tor inmitten unserer Haupt- und Heimatstadt Berlin. Im Unterricht hatte man sich zuvor theoretisch anhand einer Vielzahl von primären und sekundären Quellen mit der Berlinblockade, mit dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 und mit dem Bau der Berliner Mauer 1961 und auch mit deren Fall 1989 beschäftigt. Doch erst eine unmittelbare Begegnung mit dem Brandenburger Tor zum Beispiel lässt uns den Zeitgeist spüren, der uns sagt: Wir sind mittendrin in der Geschichte. Erst recht, wenn man die in der Nähe sich befindenden Weißen Kreuze, die zum 25. Jahrestag des Mauerfalls vom Künstlerkollektiv zum „Ersten Europäischen Mauerfall“ aufgestellt wurden, wahr- und ernstnimmt.
L. Seyferth